Sankt Michael

Wenn man den Kirchturm von Sankt Michael genau betrachtet, so sieht man auf dem First des Kirchendaches sieben merkwürdige Gestalten aus Stein. Sieben Hasen sollen es sein, manche sagen auch, es seien sechs Hunde, die einen Hirschen verfolgen oder auch sieben Rößlein. Wie dem auch sei, die Geschichte erzählt uns von einem ganz fürchterlichen Winter.
Tief zugefroren war der Donaustrom, der Wind trieb den Schnee zu riesigen Wächten zusammen und alles Leben versank förmlich in der weißen Pracht. Schließlich kam es soweit, daß der Platz zwischen Kirche und Felswand völlig zugeweht war.
Da geschah es eines Nachts, daß sieben Hasen, erschöpft vor Hunger und Kälte und ganz blind vom Schneetreiben, auf Nahrungssuche vom Berg über die Verwehungen bis auf den Kirchturm gelangten, wo sie sich im Windschatten niedersetzten und dabei vor übergroßer Mattigkeit einschliefen.
In der Nacht schlug das Wetter plötzlich um. Warme Winde strömten durch das Donautal und fraßen Eis und Schnee weg.
Als die Hasen am Morgen erwachten, da war der Schnee bereits soweit weggetaut, daß sie nicht mehr herunterkonnten. Hilfreiche Menschen lehnten eine Leiter an und halfen ihnen vom Turm.
Zur Erinnerung an dieses seltsame Erlebnis und zum Andenken an die schreckliche Wintersnot ließ der damalige Kirchenherr die sieben Hasen aus Stein meißeln und auf dem Kirchendach anbringen. Und so sitzen sie heute noch oben und erinnern an längst vergangene Tage.

Quelle: Waldviertler Heimatbuch, Helmut Sauer, Verlag Josef Leutgeb, Zwettl, 2. Auflage 1977, Band I
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