Gföhl und die Geschichte vom toten Franzosen

Als die Franzosen das Waldviertel besetzten, kamen sie auch nach Gföhl.
Eines Tages begegneten sich ein Stück außerhalb des Marktes ein französischer Soldat, der einen Spaziergang gemacht hatte, und ein Bauer aus der Umgebung, der zum Wochenmarkt nach Gföhl unterwegs war. Der Franzose fragte den Bauern, ob er ihn begleiten dürfe. Der Bauer, der großen Zorn auf die Franzosen hatte, wollte ihn anfangs nicht mitnehmen, sagte aber schließlich doch „ja“, da er fürchtete, die Franzosen würden sich sonst an ihm rächen. So wanderten die beiden schweigend nebeneinander her.
Nach einiger Zeit begann der Franzose dem Bauern von seinen Kriegserlebnissen zu erzählen. Dabei berichtete er von fürchterlichen Heldentaten, die er begangen haben wollte, erzählte von großer Kriegsbeute und wie er den österreichischen Soldaten viel Geld abgenommen hätte.
Der Bauer lachte dazu und meinte, dies wäre wohl sehr aufgeschnitten. Da nahm der Franzose seinen Gehstock, begann ihn zu drehen und es zeigte sich, daß sich der Stock öffnen ließ, er war innen hohl. In dieser Höhlung hatte der Soldat tatsächlich viel Geld versteckt, welches er prahlerisch dem Bauern zeigte.
Den Bauern packten nun Geiz und Habgier. Da er ohnehin auf die Franzosen böse war, beschloß er, den Soldaten zu töten und sich sein Geld anzueignen.
Als sie in die Nähe des Jaidhofes kamen, lag zufällig ein dicker Ast auf der Straße. Der Bauer ließ seinen Begleiter ein paar Schritte vorgehen, packte dann den Ast und hieb damit dem Franzosen so kräftig auf den Kopf, daß dieser tot zusammenbrach. Schnell raffte er dann den Stock des Unglücklichen an sich und wollte sich damit davonmachen. Er kam aber nicht weit. Schon nach einigen hundert Metern erwischten ihn mehrere Kameraden des Erschlagenen, die den Mord von einer benachbarten Anhöhe aus mitangesehen hatten. Sie brachten den Bauern nach Gföhl, wo er verurteilt und gehenkt wurde.
Er fand aber im Grab keine Ruhe. Schon einige Tage nach seinem Tod wurde auf den Feldern des Verurteilten eine riesige Schlange gesehen, die sich heftig zischend hinter jedem, der in ihre Nähe kam, herwälzte und ihn bedrohte. „Der Geist des Bauern steckt in ihr“, erzählten die Leute im Markt und in den Dörfern, und bald wagte sich niemand mehr auf die Felder, so groß war die Angst vor der Schlange.
Lange Zeit sannen die Gföhler auf Abhilfe. Da geschah es, daß ein junger Priester in den Markt kam, der, nachdem man ihm von der Schlange erzählt hatte, sagte: „Ich glaube, ich kann euch helfen. Ich weiß einen Segensspruch, der die Schlange bannen und verschwinden lassen wird!“
Einige tapfere Leute geleiteten ihn nun zu den Feldern, wo sich das Ungeheuer hauptsächlich aufhielt. Tatsächlich sahen sie es bald aus der Ferne herankriechen. Schnell liefen alle davon, nur der junge Priester blieb stehen und begann ein lautes Lied zur Ehre Gottes zu singen.
Als der Gesang die Schlange erreichte, da fing sich das Untier zu winden und zu drehen an, stieß dabei ein fürchterliches Geschrei aus und versuchte zu entkommen. Der junge Priester verstärkte jedoch seinen Gesang und da geschah es, der Riesenwurm begann zu schrumpfen. Er wurde immer kleiner und kleiner, sein Geheul immer leiser und leiser. Bald war er ganz verschwunden.
Die Gföhler, die darüber sehr froh waren, beschenkten den Geistlichen reich, bevor sie ihn weiterziehen ließen. Noch größer war aber ihre Freude, als bald darauf auch die Franzosen abzogen und Ruhe und Friede wieder in Gföhl einkehrten.

Quelle: Waldviertler Heimatbuch, Helmut Sauer, Verlag Josef Leutgeb, Zwettl, 2. Auflage 1977, Band I
ISBN ohne Nummer

© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.

 
designed by © Norbert Steinwendner, A 4300 St. Valentin