DAS HOFFÄRTIGE MÄDCHEN

Es war einmal eine Witwe, die hatte eine sehr schöne Tochter. Die Mutter war eine bescheidene Frau, aber das Mädchen war überaus hoffärtig.
Viele junge Männer warben um sie, aber keiner war ihr gut genug. Einmal, in einer hellen Mondnacht, erwachte die Mutter. Weil sie nicht gleich wieder einschlafen konnte, nahm sie den Rosenkranz vom nagel über ihrem Bette und begann zu beten. Dabei blickte sie mit Liebe auf ihr Kind, das ruhig neben ihr schlief, und da sah sie, daß die Tochter im Schlafe lächelte. Sie hat einen schönen Traum, dachte die Mutter, betete das Vaterunser zu Ende, hängte den Rosenkranz wieder auf und kann schlief auch sie.
Am Morgen fragte sie die Tochter nach ihrem Traum.
„Mutter, ich habe geträumt, daß wieder ein Freier kam. Er fuhr in einem kupfernen Wagen und er gab mir einen Ring mit Steinen, die glänzten wie die Sterne am Himmel. Und als ich damit in die Kirche kam, schauten die Leute nur auf die Heilige Jungfrau und mich.“
„Kind, Kind, eitle Träume sind das“, sagte die Mutter, aber die Tochter ging singend an ihre Arbeit.
Am gleichen Tage kam ein gut aussehender Freier in einem Bauernwagen angefahren.
Der Mutter gefiel der Bursche. „Welches Brot kannst du meiner Tochter bieten?“ fragte sie ihn.
„Bauernbrot“, antwortete der Freier.
Die Tochter aber lachte. „Dich nehme ich nicht, auch wenn dein Wagen aus Kupfer wäre und du mir einen Ring schenken wolltest, mit Steinen, die wie Sterne glänzen.“
Als der Bursch diese hoffärtigen Worte hörte, fuhr er traurig wieder heim.
In der nächsten Nacht erwachte die Mutter wieder. Sie nahm den Rosenkranz und betete für ihre Tochter. Da hörte sie das Mädchen im Schlaf laut lachen. Was mag sie träumen, dachte die Mutter. Sie beendete ihr gebet, aber sie konnte lange nicht einschlafen.
Am Morgen fragte sie die Tochter nach dem Traum.
„Ich träumte, daß ein Freier kam. Er fuhr in einem silbernen Wagen und er schenkte mir ein goldenes Stirnband. Als ich damit in die Kirche ging, schauten die Leute mich mehr an als die Heilige Jungfrau“, erzählte die Tochter.
„Was schwätzt du da, Kind? Eitle Träume sind das. Bete, damit du nicht in Versuchung gerätst“, ermahnte die Mutter, das Mädchen aber wollte nichts hören und lief aus der Stube.
Am selben Tag kam ein neuer Freier. Er fuhr in einer Herrenkutsche vor, denn er war ein Edelmann.
Die Mutter fühlte sich sehr geehrt. „Zu welchem Brot freist du meine Tochter?“ fragte sie.
„Zu Herrenbrot“, antwortete der Jüngling.
Aber die Tochter lachte. „Dich nehme ich nicht, auch wenn du in einem silbernen Wagen angefahren kämest und mir ein Stirnband aus Gold schenken wolltest“, sagte sie. Da fuhr der Freier wieder fort, die Mutter aber zankte mit ihrer hoffärtigen Tochter.
In dieser Nacht konnte die Mutter keinen Schlaf finden. Sie legte den Rosenkranz nicht aus der Hand. Einmal hörte sie das Mädchen im Schlafe lachen. Was mag sie heute wieder träumen? dachte die Mutter voll Sorge, und am Morgen fragte sie die Tochter gleich.
„Ich träumte, daß einer kam, der fuhr in einem goldenen Wagen und er brachte mir ein Brautkleid aus Gold, und als ich damit in die Kirche kam, schauten die Leute überhaupt nur mich an.“
Die Mutter war verzweifelt über diesen sündhaften Traum, aber die Tochter nahm ihre Kleider über den Arm und lief aus der Kammer, damit sie die mütterlichen Ermahnungen nicht anhören müsse.
An diesem Tag kamen drei Wagen angefahren. Einer von Kupfer, einer von Silber, einer von Gold. Vor den ersten waren zwei, vor den zweiten vier und vor den dritten acht Pferde gespannt. Aus dem kupfernen und aus dem silbernen Wagen sprangen Herren in roten Hosen und grünen Jacken, das waren die Diener, und aus dem goldenen sieg ein Herr, der war von Kopf bis Fuß in Gold gekleidet. Der Herr in Gold bat die Mutter um die Hand der Tochter.
„Zu welchem Brot freist du meine Tochter?“ fragte die Mutter.
„Zu goldenem Brot“, war die Antwort.
„Ach, wir wären nicht würdig eines solchen Glücks“, meinte die Mutter, aber die Tochter sagte:“= ja, dich nehme ich zum Mann.“
Da gab ihr der Bräutigam einen Ring, der hatte Steine, die glänzten wie die Sterne, dann schenkte er ihr ein goldenes Stirnband und ein Brautkleid aus Gold.
Das Mädchen war überglücklich und sie lief in die Kammer, um sich zu schmücken.
Als die Braut aus der Kammer kam, war sie schöner als alles auf der Welt. Der Bräutigam nahm sie bei der Hand und führte sie zu seinem Wagen. Um den mütterlichen Segen baten sie nicht.
Die Mutter stand weinend auf der Schwelle ihres Hauses und betete für die Davonfahrenden.
Sie fuhren und fuhren bis zu einem großen Felsen.
Der Mann klopfte an den Felsen, der öffnete sich, sie fuhren ein, und der Felsen schloß sich hinter ihnen wieder.
Die Braut fürchtete sich, denn es war finster, aber der Bräutigam sagte: „Hab keine Angst, gleich wird es hell sein.“
Und wirklich, es kamen Zwerge gelaufen, die hatten Fackeln in der Hand und begrüßten ihren Herrn, den Erzkönig und seine schöne Braut.
Jetzt erst wußte die Braut, wen sie geheiratet hatte: den Erzkönig. Das schreckte sie aber nicht.
Sie fuhren in ihrem Wagen und kamen in einen Wald, dessen Bäume bis zum Himmel reichten, aber alle die Tannen, Fichten, Buchen waren aus Blei. Als sie diese sonderbare Landschaft hinter sich gelassen hatten, gelangten sie in eine Ebene und zu einem Schloß, das war aus Gold und Edelgestein.
In dieses Schloß führte der Erzkönig seine Braut und sagte, daß alles dies fortan ihr gehöre.
Mit Stolz und mit Staunen musterte die junge Frau diesen Reichtum. Nun besaß sie, wonach sie immer schon gestrebt hatte.
Vom vielen Schauen wurde sie müde und sie freute sich, als sie sah, daß die Zwerge den Tisch zu decken begannen. Sie war hungrig und war froh, als man sich zu Tisch setzte.
Kupferne, silberne, goldene Speisen wurden aufgetragen. Alle aßen, aber die Braut vermochte diese Speisen nicht zu essen. Sie bat den Bräutigam um ein Stückchen Brot.
„Gern, liebe Frau“, sagte der Erzkönig.
Ein Diener eilte hinaus und brachte ein Brot aus Kupfer. Das konnte die Frau nicht essen.
Da entsendete der Herr einen anderen Diener. Der brachte ein Brot aus Silber. Aber auch das war ungenießbar für die junge Frau.
Ein dritter Diener wurde ausgeschickt. Er brachte ein Brot aus Gold. Sie nahm es in die Hand und konnte damit nichts beginnen.
Verzweifelt sah sie den Erzkönig an, aber der schüttelte bedauernd den Kopf:
„Gern würde ich die dienen, aber andere Brote als diese gibt es nicht in unserem Reich.“

So war es und nicht anders. Was geschehen war, konnte nicht mehr geändert werden. Die Braut mußte unter der Erde bleiben, bei ihrem Erzkönig im goldenen Schloß, da sie das Gold zum Inhalt ihres Lebens erwählt hatte.

Quelle: Slowakische Märchen; nacherzählt von Robert Michel und Cäcilie Tandler; Wilhelm Andermann Verlag Wien; 1944

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