DIE DREI BÄUME

Ein armer Mann hatte drei Söhne. Klug waren die beiden älteren, aber, ach, ganz dumm war der jüngste.
Alle drei waren schon recht groß, da sagte eines Morgens der Vater zu ihnen: „Meine Kinder, ihr seht ja, wie arm wir sind, wir können nicht länger beisammenbleiben, ihr müßt hinaus in die weite Welt und dort euer Glück suchen.“
Da rüsteten sich die Söhne aus, so gut es eben ging, und am frühen Morgen eines schönen Tages zogen sie hinaus in die Welt.
Sie gingen und gingen, wohin die Füße sie trugen. Nach einiger Zeit kamen sie zu einer Wegkreuzung. Da bleiben sie stehen; einer schaute den anderen an: „Welchen Weg sollen wir einschlagen?“ Aber sie berieten nicht lange. Die zwei älteren wählten den ebenen und bequemen Weg, den jüngsten hießen sie den steilen Bergpfad hinansteigen.
Was konnte der Arme dagegen tun? Nichts. Er ging eben den steilen Bergpfad hinan. Je höher er kam, desto zerklüfteter und schwieriger wurde der Weg. Er irrte umher, er kroch über Felsen und Steine, schließlich kam er zu einer Wiese. Mitten auf dieser Wiese standen drei Bäume, ganz nahe nebeneinander. Es waren gar starke Bäume mit dichtem Laub und knorrigen Zweigen, und je mehr er sie anschaute, desto unheimlicher wurden sie ihm. Solche Bäume hatte er noch nie gesehen. Schließlich aber überwand er seine Furcht, denn er war froh, ein Plätzchen zum Ruhen gefunden zu haben. Und er setzte sich in den Schatten der Bäume ins Gras.
So saß er eine Weile, dann schaute er um sich. Da fiel ihm ein großer Haufen von Felsgestein auf, und als er genauer hinschaute, entdeckte er inmitten der Felsen eine Türe.
Das muß ich mir näher anschauen, dachte er und stand auf.
Er mußte sich bücken, um durch die Türe zu kommen. Es war ihm nicht ganz geheuer zumute, aber er ging trotzdem weiter.
Er kam in eine Höhle, die wurde immer breiter; und plötzlich, hoppla, da stand er schon wieder vor einer Tür, die aber war aus Glas. Er ging also durch die Glastüre hindurch und gelangte in ein Zimmer.
In dem Zimmer war ein Tisch, und auf dem Tisch Speise und Trank. Und daneben stand ein Bett, schon zum Schlafen hergerichtet.
Der Bursche war hungrig, und da niemand ihn zum Essen einlud, setzte er sich ungeladen an den Tisch und ließ sich gut schmecken, was er auf dem Teller fand. Da öffnete sich eine zweite Türe und ein schönes Mädchen trat ins Zimmer. „Willkommen“, sagte sie, „ich warte schon lange auf dich.“ Weil ihn das Mädchen so freundlich begrüßte, freute er sich und fühlte sich wie daheim; und als sie meinte, daß er sich nun ausruhen solle, ließ er sich das nicht zweimal sagen. Das Mädchen verschwand und er legte sich in das weiche Bett und schlief bis zum hellen Morgen wie in Öl.
Als er erwachte, erwarteten ihn schon Speck und Brot. Nach einer Weile öffnete sich wieder die Türe und das Mädchen trat herein.
„Janko“, sagte sie, „um etwas will ich dich bitten: wenn du dich stark genug fühlst, so fälle mir die drei Bäume, die draußen auf der Wiese stehen. Du hast drei Monate Zeit dazu.“
„Gut“, sagte Janko, „ich will dir gern den Gefallen tun.“
Er nahm eine Axt und begab sich an die Arbeit. Er hieb einmal, zweimal in den ersten Stamm, da sprang die Axt vom Stamme ab, als wäre sie auf Felsgestein gestoßen. Aber Janko ließ sich nicht entmutigen. Er hieb und hieb und mit jedem Tag wurde ihm die Arbeit leichter. Immer wieder brachte ihm das schöne Mädchen zu essen.
Nach einem Monat fiel der erste Baum. Und mit ihm zugleich stürzte ein Drittel des Berges ein. Einen Monat später fiel der zweite Baum, und mit ihm das zweite Drittel des Berges, und nach dem dritten Monat stürzte mit dem dritten Baumstamm der Rest des Berges ein.
Nachdem Janko das vollbracht und ein wenig ausgeschnauft hatte, bat ihn das Mädchen, er möchte die Bäume in den nächsten drei Monaten zerschlagen und zerspalten. Sei dann diese Arbeit getan, dann möge er das Holz auf einen haufen schlichten und anzünden.
Die zeit war rasch dahingegangen und schon flammte das Feuer hoch gegen den himmel, da kamen von allen Seiten große ungeheuer daher, und die begannen Janko zu bedrohen. Aber das Mädchen gab ihm rasch eine Peitsche, mit der schlug er nun kräftig auf die Ungeheuer ein, und jedes, das sein Streich traf, mußte in das Feuer springen und wurde zu Asche.
Das dauerte im ganzen sieben Tage und sieben Nächte, und als das Feuer alles, alles verzehrt hatte, fiel Janko zu Boden und schlief ein, als wäre er tot.
Er schlief und schlief mehrere Tage und mehrere Nächte, und als er erwachte, fand er sich in einem schönen Raum. Er hatte auch nicht mehr sein altes Gewand an, sondern ganz prächtige Kleider, in denen er wie ein junger Prinz aussah. Er sprang auf die Füße, und da stand vor ihm ein großer Spiegel, und als er sich ansah, erkannte er sich gar nicht, so schön war er.
Da öffnete sich die Türe und dreizehn Mädchen, alle weiß gekleidet, traten ein. Sie dankten ihm, nannten ihn ihren Befreier und sagten, er könne sich eine von ihnen zur Ehefrau auswählen. Lange überlegte Janko. Eine war schöner als die andere. Die Wahl war schwer. Schließlich besann er sich und sagte: „Wenn ich schon eine Frau wählen soll, so soll es nur die sein, die mich hier so freundlich aufgenommen hat.“
„Erkenne sie“, sagten die Mädchen.
„Die ist es“, sagte Janko und wies auf die siebente. Und die war es wirklich. Sie fiel ihm um den Hals und gab ihm einen Kuß, so sehr freute sie sich, daß er sie erkannt hatte.
Die zwölf Mädchen verschwanden, Janko blieb mit seiner Erwählten allein. Da erzählte sie ihm, daß in den drei Bäumen die Ungeheuer gehaust hatten, durch die das Land verwunschen war. Janko habe die Ungeheuer getötet, darum sei er nun König über das Land. Aber das war noch nicht alles. Sie berief aus dem ganzen Land die weisesten Männer, und von denen konnte Janko in kurzer Zeit alles lernen, was für einen König wichtig war.
So war Janko nun ein richtiger König und es ging ihm recht gut. Aber er wollte gern seine Eltern wiedersehen. So machten sich Herr und Frau König auf die Reise.
Vor ihnen und hinter ihnen marschierten Soldaten, und der König und seine Frau saßen in einem herrlichen Wagen. Sie waren so schön angezogen, wie es eben Könige sind, aber und dem Sitz hatte Janko seine zerrissenen Kleider liegen, in denen er einst von daheim fortgezogen war.
Als er schon ganz nahe bei seinem Elternhaus war, packte er die alten Kleider aus, zog sie rasch an, sprang aus dem Wagen und lief zur Hütte hin.
Die Eltern empfingen ihn freudig. „Daß du nur wieder da bist, lieber Dummrian!“ Sie wollten ihn noch vieles fragen, aber da brauste die prächtige Kutsche heran und bleib vor der Hütte stehen. Im ersten Schreck versteckten sich die Eltern, aber Janko holte sie und befahl ihnen, die Frau Königin ins Haus zu bitten. Er, Janko, wolle indes ins Wirtshaus gehen und die Brüder rufen.
Als Janko mit den Brüdern ankam, saß die Frau Königin schon am Zisch und unterhielt sich mit Jankos Mutter und war kein bißchen Stolz. Sie erklärte sich auch bereit, in dem einzigen Bett zu schlafen, das in der Stube stand. Die Eltern und die drei Brüder wollten sich auf den Heuboden zum Schlafen niederlegen.
So geschah es. Aber die Eltern und die Söhne konnten vor Aufregung die Augen nicht zubringen. Man denke, eine Königin unterm Dach zu haben – eine Königin, die kein bißchen stolz war.
Mitten in der Nacht stand Janko auf. „Ich liege nicht gern auf dem Heuboden“, sagte er. „Ich werde mich lieber zur Königin ins Bett legen, es ist ja breit genug.“
Den Eltern und den zwei Brüdern stand vor Schreck beinahe der Verstand still. „Du warst immer schon ein Dummrian“, zankten sie, „und du bist es auch geblieben.“ Sie wollten ihm den Weg verstellen, aber er war schon durch die Dachluke entwischt, und als sie ihm über die Treppe nachliefen und ins Zimmer kamen, da lag er schon im Bett neben der Königin. „Laßt ihn nur“, sagte diese freundlich, „er ist mein lieber Mann, und morgen kommt ihr alle mit uns auf unser schönes Schloß.“
Dann stand die Königin aus dem Bett auf, geleitete die Eltern und die zwei Brüder höchstselbst aus der Stube und schloß die Türe hinter ihnen zu.

Quelle: Slowakische Märchen; nacherzählt von Robert Michel und Cäcilie Tandler; Wilhelm Andermann Verlag Wien; 1944

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