Auf St. Nimmerleinstag

Mitunter kommt es vor, daß ein großer Fuchs einen noch größeren in der Höhle findet. So erging es vor Jahren auch einem listigen Bauern, der in einem noch pfiffigeren Landsknecht seinen Meister fand.

Eben dieser Landsknecht kam an einem schönen Feiertag auf einem prächtigen Braunen in ein Dorf geritten und stieg im Wirtshaus ab, um eine Weile zu rasten. Dem Bauern, der mit einigen Nachbarn beim Wein saß, stach das schöne Pferd in die Augen, und .er redete sofort den Landsknecht an, ob ihm das Tier nicht feil sei. "Nein", entgegnete der Landsknecht, "es ist mein Leibpferd, das ich um keinen Preis hergeben kann." Der Bauer tat, als ob er sich damit zufrieden geben wollte und sprach von andern Dingen, begann aber dem Kriegsmann fleißig zuzutrinken. Dieser. bemerkte recht wohl, daß der Bauer etwas im Schilde führe, ließ aber nichts merken, tat daher ganz unbefangen und trank wacker mit. Nach und nach kam der Bauer wieder auf den Kauf zurück, und wie nun der Landsknecht sah, wie- viel dem Bauern an dem Handel gelegen war, gedachte er, ihn auf die Probe zu stellen. "Ihr habt ja schon zu Anfang unserer Bekanntschaft gehört, daß mir mein Pferd nicht feil ist", sagte er, "aber wenn ich es Euch wirklich verkaufen wollte, so würdet Ihr ja doch nicht das zahlen, was ich verlange." "Lieber Kriegsmann", antwortete der Bauer, "meinst du denn nicht, daß ich mir einen solchen Klepper ebensogut leisten kann wie du? Schlag ihn an, was er wert ist, und du wirst sehen, ob ich ihn bezahlen kann oder nicht," Da strich der Landsknecht seinen gewaltigen Schnurrbart, besann sich dabei eine Weile und sagte dann gelassen:"Nun denn, da Ihr doch so auf den Gaul versessen seid, so laßt Euch sagen, daß ich ihn unter fünfzig Kronen nicht hergebe.“

Nun war der Bauer ein guter Pferdekenner und hatte herausgefunden, daß das schöne Pferd unter Brüdern fünfundzwanzig Kronen wohl wert sei und darum sagte er zu dem Landsknecht: "Wohlan, mein Bruder, damit du siehst, daß es mir Ernst mit dem Kauf ist, so will ich dir den Gaul um fünfundvierzig Kronen abnehmen und dir auf der Stelle fünfundzwanzig Kronen bar auszahlen, während ich dir die andern zwanzig auf St. Nimmerleinstag gebe," Der Landsknecht merkte sofort, wo der Bauer hinaus wolle, doch dachte er bei sich: Wart, Bauer, wir werden schon sehen, wer den andern übers Ohr haut! Er spielte darum den Dummen, tat recht nachdenklich, als ob er sich die Art der Zahlung recht überlegen müßte. Dann sagte er endlich zögernd: "Das ist alles recht schön und gut, wäre auch annehmbar, wenn ich nur diesen Heiligen kennen möchte. Steht denn der im Kalender?" "Ei, freilich steht er drin, sonst wäre er ja kein Heiliger", stieß der Bauer eifrig hervor. "So, so, dann mag es gut sein. Aber wißt Ihr, darüber wollen wir doch um Lebens und Sterbens willen eine Verschreibung vor diesen Zeugen machen: Sicher ist sicher!" "Gut, ich bin's zufrieden", sagte der Bauer.

Und so geschah es. Der Bauer ging erst nach Hause und holte fünfundzwanzig nagelneue Kronen. Dann wurde eine Verschreibung aufgesetzt und von dem Landsknecht, dem Bauern und seinen Nachbarn als Zeugen unterschrieben. Hierauf zahlte der Bauer die fünfundzwanzig Kronen aus und nahm den Braunen in Empfang, den er schmunzelnd nach Hause führte, während der Landsknecht die Straße zu Fuß weiterzog.

So kam das Fest Allerheiligen heran, und wenige Tage danach erschien der Landsknecht wieder in demselben Wirtshaus und schickte nach dem Bauern und "den Zeugen, die bei dem Pferdekauf zugegen waren. Sie alle fanden sich alsbald ein. Sobald der Bauer den Landsknecht erblickte, empfing er ihn freundlich und fragte ihn, was ihn abermals die Straße vorbeiführe. "Das könnt Ihr Euch wohl denken", antwortete der Landsknecht trocken. "Ich komme, um mein ausständiges Geld einzuziehen, wie es in unserer Verschreibung vor diesen Zeugen abgemacht ist."

"Oho", rief der Bauer lachend, "ich wüßte nicht, daß der ausgemachte Zahltag schon dagewesen wäre. Da werdet Ihr doch wohl warten müssen, bis der St, Nimmerleinstag herankommt, was aber so bald nicht geschehen wird!" Darauf sprach der Landsknecht ganz gelassen: "Lieber Bauer, nach meiner Rechnung liegt die Sache aber doch wohl anders. Als wir den Kauf abgeschlossen, habe ich Euch gefragt, ob St. Nimmerlein ein Heiliger sei und im Kalender stehe. Das habt Ihr mir vor diesen Zeugen versichert. Ist es nicht so?" wendete er sich an die andern Bauern und diese bestätigten es. "Nun also", fuhr er dann fort. "Ich habe im Kalender nachgesucht und keinen St. Nimmerlein darin gefunden. Das tut aber gar nichts. Ich bin weit in der Welt herumgekommen und habe in' den Niederlanden, in Italien und anderswo manchen Heiligen gefunden, der hoch verehrt wird und doch nicht in unserem Kalender steht. Und für alle diese Heiligen ist der Allerheiligentag da, der also auch der St. Nimmerleinstag ist. Ich lasse mich also durch Eure Ausrede nicht beirren und verlange nun meine zwanzig Kronen, die Ihr mir noch schuldet." Darauf ward viel hin und her geredet, aber der Bauer, der nie die Absicht gehabt hatte, die zwanzig Kronen zu bezahlen, zahlte sie auch jetzt nicht, sondern verwies den Landsknecht an den Amtmann, vor den der Kriegsmann wirklich seine Klage brachte. Und siehe, der Richter ersah sogleich aus der Verschreibung, daß der pfiffige Bauer einen absichtlichen Betrug zu verüben gedacht hatte. Er ließ deshalb den Einwand des noch pfiffigeren Landsknechtes gelten und verurteilte den Bauer zur Zahlung der schuldigen zwanzig Kronen. Aber nicht genug damit, mußte der Bauer auch noch eine erhebliche Strafsumme erlegen.

Quelle: Schelme und Narren; Josef Pöttinger; Verlag Ferdinand Ertl Wien; 1941

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