Wie einer seine Kuh verkauft

Einst lebte zu Köln ein Abenteurer, von dem folgende kurze Geschichte erzählt wird. In seinem abenteuerlichen Leben ist er einmal auf zwei Meilen von Köln in ein Wirtshaus gekommen und hat Herberge zur Nacht begehrt. Der Wirt hat ihm solche gegeben und hat ihn gefragt, wo er morgens hin- wolle. Der Abenteurer antwortete, er wolle gegen Köln auf den Markt. Da antwortete ihm der Wirt: "Es ist gut, so ziehen wir morgen miteinander!" Darauf der Gast: "Ihr müßt aber früh aufstehen, damit wir auch zum Markte kommen!" "Schau du nur zu und verschlaf dich nicht, denn ich werde früh auf sein!" entgegnete der Wirt. "Lieber Wirt, wenn Ihr denn wollt auf sein, so weckt mich, darum bitte ich Euch!" "Gern!" sprach der Wirt.

Nun hatte der Wirt eine feiste Kuh im Stalle, das wußte der Gast wohl. Und als nun der Gast, der Wirt und alles Volk im Hause schlafen gegangen waren, da stand der Gast still wieder auf, nahm die Kuh aus dem Stalle und führte sie bei Nacht und Nebel ein gut Teil Weges auf Köln zu und band sie an einen Baum, der seitwärts stand, damit sie der Wirt, oder wer vorbeiging, nicht sehen könnte.
Des Morgens früh stand der Wirt auf und weckte den Gast. Dann gingen die beiden eine Weile, miteinander schwätzend, auf Köln zu. Als sie in die Gegend kamen, wo der Abenteurer die Kuh an den Baum gebunden hatte, sprach er zum Wirt: "Haltet still, lieber Wirt! Es ist mir ein Bauer in dem Dorfe da zunächst etwas schuldig; ich will gehen und schauen, ob ich möchte bezahlt werden. Zieht also gemächlich weiter; ich werde bald wieder bei Euch sein!" Der Wirt ging allgemach für sich. Der Schalk aber kam zu dem Baum, fand die Kuh noch angebunden, nahm sie bei dem Seil und zog sie auf das gemächlichste hinterher und kam so nicht weit von Köln zu seinem Wirte. Als ihn der kommen sah, sprach er: "Gast, kommst du? Ich habe dein lang gewartet!" Der Gast sprach: "Ja, ich habe viel Plag' mit dem Bauer gehabt, bis ich zur Bezahlung gekommen bin. Denn er hatte kein Geld und ich habe wollen bezahlt sein. Da habe ich eine elende Kuh für mein gutes ausgeliehenes Geld nehmen müssen. Ich fürchte, ich kann sie nicht so teuer wieder in der Stadt verkaufen, wie ich sie genommen habe!" Der Wirt sah die Kuh an und meinte: "Das ist auf meinen Eid eine schöne, feiste Kuh! Wenn ich meine Kuh nicht nächtig spät selbst in den Stall getan hätte, dann schwüre ich, es wäre meine Kuh, so gleich sieht sie ihr!" Damit schwiegen sie beide der Rede, bis sie in die Stadt Köln kamen.

Nun war des Gastes Gestalt also, daß er sich auf dem Markte, wo man Kühe und Ochsen verkaufte, etlicher böser Stücke halber nicht durfte sehen lassen. Denn er hatte wohl schon Ochsen gekauft und nicht bezahlt. Des- halb bat er den Wirt und sprach, er hätte sonst ein nötig Geschäft, er sollte ihm die Kuh verkaufen, und zeigte ihm seine Herberge an, wohin er ihm das Geld bringen sollte, er wolle ihm ein gutes Trinkgeld geben. Der Wirt ging darauf ein, löste für die Kuh sogar noch etliche Weißpfennige mehr und brachte dem Gaste das Geld treulich in die bestimmte Herberge. Der empfing das Geld mit großem Dank und schenkte dem Wirt ein Trinkgeld, womit der wohl zufrieden war.

Nun gedachte der Gast, wie er mit Fug von dem Wirte loskäme, und sprach: "Wir wollen zu Morgen miteinander essen, denn die Kuh hat ohnedies mehr gegolten, als sie wert war. Der Bauer, dem die Kuh gewesen ist, muß die Zeche bezahlen!" Damit bat er die Wirtin, ihm zwei zinnerne Platten zu leihen, er wolle gehen, um ein paar gebratene Hühner zu kaufen. Und wie er nun will aus der Stube gehen, spricht er zum Wirt, der in der Stadt Köln daheim war: "Lieber Wirt, leiht mir Euren Mantel! Ich mag nicht, daß man sehe, was ich gekauft habe; ich will den Mantel darüberschlagen!" Er fürchtete aber, daß man ihn bei seinem Rock erkennen möchte. Als ihm der Wirt den Mantel gab, da schlug er ihn um seinen Rock und nahm die Platten darunter und fuhr also damit seine Straße, denn er hatte nicht im Sinne, gebratene Hühner zu bringen. Es lag ihm auch an der zweier Wirte Worten nichts, denn er gedachte nicht, nächstes Jahr wiederzukommen. Als sie nun seiner lang gewartet hatten, da kommt des guten Bauern Tochter gelaufen mit großem Klagen und Weinen und spricht: ,,0 Vater, es gehet übel! Wir haben unsere Kuh verloren, die ist uns diese Nacht gestohlen worden!" Der Vater merkte die Büberei bald und sprach: "Da schlag der Teufel drein! Ich habe sie selbst verkauft!" und mußte der Büberei selbst lachen und wollte nicht länger auf die gebratenen Hühner warten, denn die Federn hatten das Fleisch hinweggetragen, das er ihnen bringen wollte.

So war er um seine Kuh gekommen und die Wirtin um die zwei Platten und der Wirt um seinen Mantel und hatten das alle drei mit Willen getan, aber ohne ihr Wissen.

Quelle: Schelme und Narren; Josef Pöttinger; Verlag Ferdinand Ertl Wien; 1941

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