Der Schatzgräber vom Wentstein

Im heutigen Wentstein lebte einst ein Mann, der sehr gerne reich geworden wäre, ohne viel arbeiten zu müssen, denn jede Arbeit war ihm ungemein lästig. Da erinnerte er sich, daß ihm seine Großmutter einmal von einem vergrabenen Schatz erzählt hatte. Wer aber diesen Schatz heben wolle, der müsse um Mitternacht darnach graben und dürfe kein Wörtchen dabei sprechen. In der folgenden Nacht stand er nun auf, ging heimlich zu dem beschriebenen Ort und begann sein Werk. Nachdem er eine Zeitlang gearbeitet hatte, stand plötzlich ein Knabe vor ihm, der eine Lanze trug. Dieser Knabe sprach nun:

"Was suchst du hier, Törichter, hier liegen keine Schätze, aber ich weiß, wie du reich werden kannst. Gehe heim, nütze deine Tage vom frühen Morgen bis zum späten Abend, dann wirst du dir das Nötige leicht erwerben und du wirst zufrieden sein." Nach diesen Worten verschwand der Knabe so plötzlich, wie er gekommen war. Der Mann hörte aber nicht auf diesen weisen Rat, ja im Gegenteil, seine Habsucht wurde nur noch gesteigert, und er grub mit wilder Hast weiter. Auf einmal hörte er unter seinen Füßen ein Poltern und Krachen, und aus der Erde stiegen zahlreiche Geister hervor. Vor Schrecken fiel er ohnmächtig zu Boden. Als er wieder zu sich kam, waren die Geister verschwunden und eine unheimliche Stille herrschte ringsherum. Jetzt erst befolgte der Schatzsucher den Rat des Knaben und wurde so ein wohlhabender, zufriedener Mann. (Pschorn.)

Quelle: Sagen aus dem Mostviertel, Band II; gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Amstetten; Herausgegeben von Ferdinand Adl, Amstetten 1952

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