Die Maultasche von Hochosterwitz

Hochosterwitz ist die kostbarste Perle in dem schönen Kranze der Burgen und Schlösser Kärntens. Merkwürdige Denkmäler vergangener Zeiten sind dort aufgehäuft und zahlreiche Sagen knüpfen sich an dieselben. So sehen wir dort den hohen, schwarzen Filzhut der Maultasch mit seinem Lederfutteral und die verhängnisvolle Stierhaut, welche die Wilde einstens von dannen trieb.

Die Sage von jener Belagerung der Burg durch die Maultasch lautet also:

Rachedürstend zog das kriegerische Weib mit Fähnlein und Spießen an der Drau herunter und nahm manche Stadt und manchen Flecken. Die ganze Gegend flüchtete mit dem, was ihr teuer war, nach Hochosterwitz. Kleinodien und Schätze hatten die Furchtsamen nur zu viel mitgebracht, Kriegs- und Mundvorräte dagegen zu wenig. Ringsum ließ die Maultasch alles verwüsten und monatelang dauerte die Einschließung der Burg. Hunger und Seuchen stiegen täglich. Pferdefleisch, das schon lange vorher als Leckerbissen genossen wurde, war keines mehr vorhanden; die ersten Frauen vom Adel und ihre hungernden Kinder aßen Hunde und Katzen. Ein magerer Stier und zwei Vierling Roggen waren das letzte. Da riet der tapfere Schenk von Osterwitz, den Stier zu schlachten, in seine abgezogene Haut den Roggen einzuschütten und unter hellem Aufjauchzen und dem kriegerischen Klange aller Trompeten den Berg hinabzuschleudern an die Posten der Feinde, die dann Ursache haben würden zu denken, in der Burg herrsche noch Ueberfluß und fröhlicher Mutwille. Was man erwartet hatte, geschah.

„Ha!“ brauste die Maultasch auf, „das sind Klausraben, so auf gute Zeit ihre Nahrung in die Kluft zusammengetragen, die werden wir nicht so leichtlich in unsere Klauen fassen. So mögen sie denn in ihrem Neste sitzen! Wir wollen andere gemästete Gänse suchen.“

Sogleich ließ sie Lärm schlagen, die Zelte niederbrechen und zum Aufbruche blasen. Aber gleichsam in der Selbstverspottung ihres ohnmächtigen Zornes befahl sie jedem Reisigen, seine Sturmhaube voll Erde zu fassen und sie auf flachem Felde, der Osterwitz gegenüber, auszuschütten. Aus dieser Erde erwuchs ein ziemliches Berglein, der Maultasche-Schutt hieß es lange Zeit im Kärntnerlande.

Der spätere Erneuerer von Hochosterwitz, Georg Khevenhueller, errichtete auf diesem Hügel ein Kreuz und ein Steinbild, das die Züge des wilden Mannweibes trug.

Quelle: Kärntner Sagen; Franz Pehr; Verlag von Joh. Heyn in Klagenfurt; 1913

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