Schelcherbauernstein

Zum Schelcherbauern in Hinterstoder kam alljährlich um dieselbe Zeit ein alter Mann, der bei ihm übernachtete. Um 12 Uhr nachts jedoch stand er auf, und gieng zum Schelcherbauernsteine hinaus (vor dem Hause 1. am Berge). Wo der Mann her war und was er trieb, das wusste niemand. Einmal kam der Schelcherbauer nach Steyr und er wanderte eben bedächtig eine schöne Strasse entlang, als er plötzlich hinter sich jemanden „Schelcherbauer! Schelcherhauer !rufen hörte. Er sah um und bemerkte, wie aus einem der prächtigsten Häuser, und zwar vom 3. Stocke aus, jemand ihm zuwinkte: es war der Mann, der alljährlich zu ihm gekommen, der ihn angerufen hatte.

Der Schelcherbauer gieng in das Haus zum Manne hinauf, den er aber nicht in ärmlichen Kleidern wie früher, sondern mit Pracht und Reichthum umgeben, antraf. Der Mann sagte zum Bauern: „Siehe, diese Schätze habe ich alle vom Schelcherbauernstein geholt. Jetzt aber habe ich genug, und brauche nichts mehr. Aus Dankbarkeit will ich dir jedoch das Geheimnis, wie du zu dem Schatze kommen kannst, verrathen. In derselben Nacht wo ich immer bei dir war, gehe zum Schelcherbauernstein hinaus, schlage dreimal mit dieser Ruthe auf den Felsen und sprich die Beschwörung, die du in diesem Büchlein findest. Ich gebe es dir. Nimm dir aber ja nicht mehr, als du auf einmal tragen kannst und lasse die Ruthe ja nicht liegen.“

Der Bauer eilte freudig nach Hause. Als die bezeichnete Nacht kam, gieng er zum Stein hinaus, schlug mit der Beschwörruthe, einem zweigabeligen Haselzweige, dreimal auf den Felsen und las die Beschwörung herab, - und o Wunder! Der Berg öffnete sich und ein gewaltiger Haufen rothen Goldes funkelte ihm entgegen. Beim Anblicke dieses Reichthumes erfasste ihn die Habgier, vergass alle Ermahnungen, liess alles liegen und eilte nach Hause, um das Ochsengespann zu holen, um so den ganzen Schatz auf einmal heimschaffen zu können. Als er aber zurük kam, hatte sich der. Felsen wieder über den Schatz und über die vergessene Beschwörruthe geschlossen. Der Bauer hatte das Nachsehen. - Nur einen einzigen Zapfen Goldes hatte er zu sich gesteckt, um so seine Erzählung seinen Leuten glaubhaft zu machen; der war aber so viel wert, dass er davon sein ganzes Haus neu aufbauen konnte.

Quelle: Hinterstoder mit dem Stoderthale; Kleine Orientierungs-Darreichung von A. N. Gerhofer; Selbstverlag; Linz, Druck von S. Tagwerkers Witwe [um 1891]

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