Von der Kapuzinerkirche in Steyr

Auf der Hochfläche links der Leopold-Werndl-Straße, dort, wo die sogenannte Werndl-Villa steht, stand von 1620 bis 1786 die Kapuzinerkirche. Die heutige Werndl-Villa, im Laufe von rund 180 Jahren etwas umgestaltet, war das Klostergebäude der Patres Kapuziner. Die Kirche, im Jahre 1786 abgebrochen, stand vor dem Gebäude der jetzigen Werndl-Villa. Zum Großteil stehen noch die Mauern, mit denen Kirche, Kloster und Garten umschlossen waren. Von den Patres Kapuzinern, ihrer Kirche und ihrem Kloster erzählen Geschichte und Legende manche interessante Begebenheiten.

Schon viele Jahre vor 1600 und im ersten Vierteljahrhundert nach diesem Zeitpunkt war der größte Teil der Bevölkerung protestantisch geworden. Wie Jakob Zetl, der Steyrer Färbermeister und katholische Ratsherr in seiner Steyrischen Chronik schreibt, sollen um diese Zeit nur noch achtzehn Bürgerfamilien in Steyr katholisch gewesen sein. Alle Kirchen der Stadt waren in den Händen der Protestanten. Michael Aidn, ein reicher Handelsherr und vielfacher Hausbesitzer, von 1585 bis 1586 Stadtrichter und von 1595 bis 1597 Bürgermeister und ein eifriger Protestant, war Verwalter der Stadtpfarrkirche in Steyr.

Seit 1605 gab sich der Abt Johann Wilhelm I. von Garsten viele Mühe, von dem Magistrat Steyr wenigstens die Bruderhauskirche und die Spitalkirche für die katholische Bevölkerung zu erhalten. Es gelang ihm nicht. Wollten die Katholiken in der Pfarrkirche Gottesdienst halten, so hing das immer von dem guten Willen des Magistrates ab, der fast zur Gänze aus Protestanten bestand. Als der Burggraf Georg Freiherr von Stubenberg, der ein Protestant war, von seinem Posten schied, erhielt Georg Siegmund von Lamberg, des Kaisers Mathias I. geheimer Rat und der Kaiserin Annas Obersthofmeister das Steyrer Burggrafenamt. Dieser war Katholik, ließ 1616 die Burgkapelle neu herrichten und stellte sie den Katholiken für ihre gottesdienstlichen Handlungen zur Verfügung.
Als Abt Wilhelm 1614 gestorben war, wählten die Garstner 1615 den Benediktiner-Mönch von Melk Abt Anton II. (Spindler von Hofegg). Der war energisch, gewandt, vertraut mit den schwierigsten Geschäften, weise und beredsam; er machte den protestantischen Herren das Leben ein wenig sauer. Er verlangte vom Magistrate energisch die Schlüssel zur Bruderhauskirche und zur Spitalkirche, die ihm auch ausgefolgt wurden. Er fragte nicht lange und richtete beide Kirchen zum Gebrauch des Gottesdienstes ein. Außerdem betrieb er mit Eifer die Errichtung eines Kapuzinerklosters und einer Kirche in Steyr.

Schon am 1. Oktober erschien aus Prag ein kaiserlicher Befehl an den Landeshauptmann Wolf Wilhelm von Volkersdorf, nach welchem den Kapuzinern erlaubt wurde, in Steyr ein Kloster und eine Kirche zu erbauen, mit der Beifügung, die Erbauung derselben nicht zu hindern, sondern zu fördern. Der Landeshauptmann erließ am 16. Jänner 1616 einen Befehl an die Stadt Steyr, demgemäß zu handeln, wogegen sie aber Vorstellungen machte, den Bau aber nicht hindern konnte. Auch die Kaiserin Anna schrieb an den Magistrat, den Kapuzinern bei dem Bau mit Materialien an die Hand zu gehen. Sie schickte selber 4000 Gulden, auch der Burggraf Freiherr von Lamberg und der Abt von Garsten gaben reichlich Beiträge.

Zuerst waren zwei Kapuziner angekommen, denen der Burggraf das Gartenhaus im Hofgarten, dem jetzigen Schloßpark, zur Wohnung einräumte. Nach und nach kamen mehrere, die im• Kirnerischen Hause in Pyrach, in der Nähe des Ketzerfreithofes wohnten. Der Bau des Klostergebäudes, 1615 begonnen, wuchs schnell empor und war 1617 vollendet. Die Grundsteinlegung der Kirche wurde festlich begangen; es donnerten die Kanonen. Außer anderen hohen Persönlichkeiten wurde auch der Magistrat eingeladen, der aber aus begreiflichen Gründen nicht erschien. Der Färbermeister Zetl meinte spottend: "Vermutlich hat ihnen vielleicht die Luft nicht getaugt."

Als man zum Bau der Kirche den Sand gegenüber dem Pfarrmayrhöfl ausgrub, kamen die Arbeiter auf einen großen Haufen Totengebeine, von denen zur Nachtzeit etliche Karren voll durch den Hundsgraben zur Enns gefahren und dort hineingeworfen wurden. Es waren die Gebeine von Erwachsenen und Kindern jeden Alters. Die Leute ergingen sich in Vermutungen, aus welcher Zeit diese Gebeine wohl stammen könnten. Die einen meinten, sie könnten von Gefallenen eines Krieges sein, während andere meinten, es könnten die Gebeine der zum Tode verurteilten Waldenser oder Wiedertäufer sein. Jakob Zetl aber schreibt in seiner "Steyr'schen Chronik", daß man in den Krieg Kinder nicht mitzunehmen pflegte und die Wiedertäufer seien "mit Haut und Haar zu Aschen verbrandt und kain Bein übrig geblieben." Eher glaubte er "dass in Infektions-Zeiten ain Hauffen verstorbener an dissem Orth zusamben in ein Gruaben geworfen worden, deren gebein disse gewesen." Und lakonisch in seiner damals üblichen, mitunter recht unverständlichen Schreibweise: "Wer Ess aber nicht glauben will, kan am Jüngsten Tag in der Allgemeinen Aufferstehung weither nachfragen und die wahre Uhrkundt (Urkunde) einhollen."

Im Jahre 1620 stand auch der Bau der Kirche fertig da. Sie wurde der Hl. Büßerin Magdalena geweiht. Vor der Kirche wurde das hohe hölzerne Ordenskreuz aufgestellt, Kloster und Kirche von einer Mauer umfangen.

Die Kapuziner waren ein Zweig der Franziskaner und hatten den Namen von ihrer Kopfbedeckung, der Kapuze. Sie spielten in den damals recht unruhigen Zeiten im kirchlichen Steyr eine nicht unbedeutende Rolle. Sie wurden sozusagen als Missionäre nach Steyr berufen. Ihre nicht gar große Kirche war eine Zeitlang Mittelpunkt des katholischen Lebens in dieser von religiösen Wirren schwer heimgesuchten Stadt.

Am Karfreitag des Jahres 1621 ging zum erstenmale eine Bußprozession von der Kirche der Kapuziner aus. Sie nahm ihren Weg durch den Hundsgraben, zog durch das Neutor in die Stadt hinein, den Stadtplatz hinunter, wieder herauf und kehrte, den Pfarrberg hinaufziehend und das Gilgentor passierend, zurück zur neuen Kirche, die draußen vor den Toren der Stadt lag.

Als nach dem Bauernkrieg im Jahre 1626 und in Durchführung der Gegenreformation die Katholiken wieder das volle Verfügungsrecht über ihre Stadtkirchen bekamen, verlor die Kirche der Kapuziner allmählich ihre Bedeutung. Kaiser Joseph II. hob im Jahre 1786 das Kloster auf, das Gebäude und der Garten wurden an einen Herrn Eberstaler verkauft und die Kirche abgebrochen. Da kann man wohl sagen: Nichts besteht, alles verändert sich und vergeht.

Quelle: Sagen und Legenden von Steyr, Franz Harrer, Verlag Wilhelm Ennsthaler, Steyr, 3. Auflage 1980,
ISBN 3-85068-004-5

© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.

 
designed by © Norbert Steinwendner, A 4300 St. Valentin