Der unsichtbare Holzspalter

Auf dem Lande ist es Brauch, jede Arbeit in Gottes Namen anzufangen und diese zu beenden mit dem frommen Spruch: "Hör'n wir auf in Gott'snam'!" oder "Machen wir in Gott'snam' Feierabend!" Wer diesen Spruch zu sagen unterläßt, dem arbeitet, so heißt es, der Teufel nach. Im Gstreitnerhäusl in Kleinraming wohnte vor vielen Jahren eine Steinmetzfamilie, wie sich solche Familien damals mehrere im Ramingtale, wo Sandstein gebrochen wurde, angesiedelt hatten. Der Steinmetz im Gstreitnerhäusl unterließ es stets, den üblichen Spruch zu tun, wenn er Feierabend machte.

Eines Abends, es war schon ziemlich spät und finster, hörte die Hausfrau Gstreinerin noch immer Holzspalten in des Steinmetz' Holzhütte und dachte sich: "Heute hört er ja gar nicht auf, der Steinmetz". Da es ihr aber sonderbar vorkam, wie jemand so spät im Finstern noch arbeiten könne, ging sie nachschauen. Sie hörte wohl Holzspalten in des Steinmetz' Holzhütte, konnte aber niemand wahrnehmen. Sie ging hierauf in die Wohnung des Steinmetzen. Der saß mit seiner Familie gemütlich beim Tisch und rauchte behaglich sein Pfeifchen. "Ja", sagte die Hausfrau "da sitzt er und in seiner Holzhütte tut jemand Holz machen". Verwundert ging er nachschauen. Es war wirklich so, wie die Hausfrau gesagt hatte. Erst als der Steinmetz rief: "Hören wir auf in Gott'snam!" verstummte die laute Arbeit und der Spuk war zu Ende. Der Holzspalter war der Teufel gewesen.

Quelle: Sagen und Legenden von Steyr, Franz Harrer, Verlag Wilhelm Ennsthaler, Steyr, 3. Auflage 1980,
ISBN 3-85068-004-5

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