Der Räuberhauptmann Stern

Die von Weyer nach Großraming ziehende Straße führt nach einiger Zeit zu einer hübschen, romantischen Stelle; sie durchschneidet ein Gelände, das ehemals mit düsterem, dichtem Wald bedeckt war und "Dieboldsau" genannt wurde. Sie diente einst als geeigneter Lagerplatz für wandernde Zigeuner und als Aufenthaltsort für lichtscheue Menschen, die in schlechtem Rufe standen.

Wie der Volksmund erzählt, war diese Stätte nahe der Enns vor vielen Jahren der Schauplatz der Untaten des Räuberhauptmannes Stern. Hier überfiel er ahnungslose Reisende, schlug sie nieder, schleppte sie in das Dickicht oder in ein Felsengewirr und beraubte sie ihrer Habe und verübte an seinen Opfern die größten Grausamkeiten und weidete sich an ihrer Qual.

So band der wüste Geselle seine Gefangenen an die Wipfel zusammengebogener Fichtenstämmchen, die er dann losließ. Manchmal hängte er einen wehrlos gemachten Menschen, mit dem Kopf nach unten, an einen Baum, an dessen Fuß sich ein Ameisenhaufen befand, den er zerwühlte, so daß das Opfer von Ameisen nur so übersät war, und von ihnen gepeinigt wurde.

nzählig waren die Verbrechen, die dieser Unhold im Laufe der Zeit verübte. Und weü man dieses Räubers nie habhaft werden konnte, herrschte im Volke der Glaube, dieser wüste Geselle könne sich „unsichtbar“ machen oder mit dem Teufel im Bunde sein.

Sein unauffindbares Versteck hatte dieser Verbrecher in den Konglomeratufern des Ennsflusses; es soll verschwenderisch ausgestattet gewesen sein. Hier ruhte er von seinen Übeltaten aus. Aber ihn ereilte eines Tages sein Schicksal. Als der Verruchte einst in sein Versteck schlüpfte, beobachtete ihn vom jenseitigen Ufer ein Mann, der sich gleich dachte, das müsse der gefürchtete Unhold sein. Nun, da der Glaube an den Zauber des "Unsichtbarmachens" zerstört war, wurde der Räuber endlich überlistet, gefangen und am Galgen hingerichtet.

Quelle: Sagen und Legenden von Steyr, Franz Harrer, Verlag Wilhelm Ennsthaler, Steyr, 3. Auflage 1980,
ISBN 3-85068-004-5

© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.

 
designed by © Norbert Steinwendner, A 4300 St. Valentin