Der Blasibrunn am Scherrerbichl

Am Fuße des bewaldeten Scherrerbichls, hart an der Eisenstraße, steht die große schöne und etwas eigenartig gebaute Blasibrunn­Kapelle mit ihrem pyramidenartigen, an der Vorderseite vorgebauten Spitzdach. Sie steht ein wenig außerhalb des idyllischen Voralpendorfes Losenstein. Angebaut an die Kapelle, etwas erhöht stehend, ist ein nettes kleines Haus, darin vielleicht der Kapellenwart mit seiner Frau wohnen mag. An der gegenüber liegenden Straßenseite steht ein mächtiger Lindenbaum, der seine dichtbelaubten Äste der Kapelle entgegenstreckt, als wolle er sie in seinen Schutz nehmen.

In der Blasibrunn-Kapelle, die sowohl dem Hl. Blasius; als auch der Hl. Maria geweiht ist, befindet sich eine alte, gekrönte, gotische Marienstatue mit dem Jesukindlein in den Armen; das Kindlein hält in der Linken die Weltkugel, die Rechte hat es segnend erhoben. Diese schöne holzgeschnitzte Marienstatue soll aus der Zeit um 1500 stammen und aus dem Kloster Garsten in die Kapelle gekommen sein.

Die Sage aber weiß es anders. Wie so manche holzgeschnitzte Bildnisse der Hl. Maria auf Bächen, Flüssen und Strömen dahergeschwommen sind, die dann in Kapellen und Kirchen zur Verehrung der Gläubigen aufgestellt wurden, so ist, wie die Sage erzählt, auch unsere Marienstatue auf der Enns flußabwärts geschwommen und in Losenstein angeschwemmt worden. Man hat sie genommen und in die Blasibrunn-Kapelle zur Verehrung aufgestellt.

Schon seit Urzeiten rinnt das frische Quellwasser aus dem Berge am Scherrerbichl und es galt den Leuten als heilig, geweiht und heilbringend. Schon im 17. Jahrhundert stand bei der Blasibrunn-Quelle ein Kreuz. Pater Antonius, der zwischen 1720 und 1729 Vikar in Losenstein war, ließ um diese Zeit die Kapelle erbauen. Unter der Kapelle und den vier steinernen Stufen, von denen drei in der Mitte ausgehöhlt sind, sprudelt das Wasser mit starkem Strahl aus dem Berge hervor. An der linken Kapellenwand ist eine Kette befestigt, an der ein Zinkbecher hängt, mit dem jedermann das Wasser vom heiligen Brunnen schöpfen und trinken kann; denn das frische Quellwasser ist in der Meinung der Leute gegen Hals- und Augenleiden gut und heilsam.

Hierüber weiß die nachstehende Sage zu erzählen: Eine Bäuerin in Ternberg schickte eines Tages ihre jüngste Dirn nach Losenstein, mit dem Auftrag, vom heiligen Wasser des Blasibrunn ihr einen Krug voll zu bringen, damit sie von ihrer schon viele Jahre andauernden Blindheit geheilt werde. Auf dem Wege dahin erfuhr die Dirn, daß in einem Wirtshaus in Losenstein eine Tanzunterhaltung im Gange sei. Da mußte die junge Dirn dabei sein und mittun.

Erst spät trat sie den Heimweg an. Den Kopf voll von dem, was sie bei der Tanzunterhaltung Lustiges gesehen, gehört und mitgemacht hatte, lief sie am Blasibrunn vorbei, ohne daran zu denken, daß sie Heilwasser schöpfen sollte. Als ihr das auf halbem Wege einfiel, wollte sie nicht mehr zurückgehen, sondern schöpfte Wasser aus einem Bache und brachte es der Bäuerin. Der feste Glaube an das heilige Wasser machte die Bäuerin gesund. Die Dirn aber wurde für ihre Freveltat mit Blindheit geschlagen.

Quelle: Sagen und Legenden von Steyr, Franz Harrer, Verlag Wilhelm Ennsthaler, Steyr, 3. Auflage 1980,
ISBN 3-85068-004-5

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