Das Kreuz auf dem „Zwecker-Böndl“

Hoch droben in den lieblichen Einöden des Stürzberges liegt eine Wiese, genannt das "Zwecker-Böndl". Dort ragt ein großes hölzernes Kreuz; zwei Lindenbäume flankieren und beschützen es. Wer auf dem nächsten Wege von Dambach nach Mühlbach gelangen will, muß an dem Marterstamme, wo sich übrigens drei Wege kreuzen, vorüberkommen. So lange alte Leute denken können und von ihren Vorfahren wissen, ist schon immer dort ein Kreuz gestanden; bricht es, von Alter morsch geworden, zusammen, so wird der gesunde Teil des Holzes angeschäftet und das Kreuz wieder aufgestellt.

Der Einheimische will des Nachts nicht gerne an dem sagenumsponnenen Kreuze vorübergehen, denn dort geht es nicht mit rechten Dingen zu. Gespenster und Hexen treiben dort ihr Unwesen und allerlei Geisterspuk ist wahrgenommen worden. Auch viele Tote sollen dort begraben liegen; die Leute sind sich aber nicht einig, ob es Schweden, Türken oder Franzosen seien. In der Nähe liegen mehrere sehr alte Bauernhöfe, so der Buchberger, der Ranftl, der Steingruber, der Zwecker und der Reithuber. Merkwürdigerweise gehören diese Wiese und das Kreuz nicht dem Zwecker, dessen Name die Wiese trägt, sondern dem Reithuber auf dem Stürzberg.

Der alte Zwecker - er ist schon lange gestorben - wollte all die gruseligen Geschichten, die man sich über das Kreuz ain Böndl in den Bauernstuben erzählte, nicht recht glauben, bis er, so wird erzählt, durch ein persönliches Erlebnis eines anderen belehrt wurde. Eines Nachts wollte er, von Damberg kommend auf dem Heimweg begriffen, beim Kreuz am Böndl vorübergehen. Da hörte er plötzlich ein klägliches Jammern und Winseln, das so schrecklich anzuhören war, daß ihm vor Grauen die Haare zu Berge stiegen. Er konnte kein Glied rühren und sich nicht fortbewegen. Da fing er in seiner Not zu beten an. Doch das half gar nichts; im Gegenteil, das Jammern und Winseln verstärkte sich noch um ein Vielfaches. Da hub er höllisch zu fluchen an und siehe da: das mark- und beinerschütternde Gejammer und Winseln ließ sofort nach und hörte nach einiger Zeit ganz auf. Als der Spuk vorüber war, konnte er sich wieder fortbewegen. Aber vom Kreuz auf dem Böndl bis zu seinem Hause, das nur einige Minuten entfernt lag, brauchte er, obwohl er tüchtig gegangen war, geschlagene zwei Stunden.

Quelle: Sagen und Legenden von Steyr, Franz Harrer, Verlag Wilhelm Ennsthaler, Steyr, 3. Auflage 1980,
ISBN 3-85068-004-5

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