Die "Zwergen-Höhle in Pernzell"

Vor langer Zeit hauste in Berglöchern und Höhlen das fleißige Völklein der Zwerge. Sie waren den Menschen gut gesinnt, sie waren mitleidig und freigebig und halfen den Menschen gerne in ihrer Not, wo weit es ihnen möglich war. Sie gaben Menschen auch guten Rat. Wehe aber denen, die ihren Rat nicht befolgten; es konnte ihnen übel ergehen. Die Reue kam dann zu spät.

In einem Berge in der Nähe des Jungwirtshauses in Pernzell bei Ober-Grünburg ist so eine Höhle, man nennt sie die „Zwergen-Höhle“. Eines Tages kam ein Fuhrmann mit seinem Ochsengespann schön langsam auf der steinigen Straße gefahren. Wie er so gemütlich an der Zwergenhöhle vorüber fuhr, sah er, wie die Zwerge emsig beschäftigt waren, „Brennzelten“ zu backen; manche sagen, es sollen kleine Laibe Brot gewesen sein.

Weil der Fuhrmann hungrig war bat er die Zwerge um einen solchen Brennzelten. Einer der Zwerge gab ihm einen bereitwillig heraus und sagte: „Du wirst davon so satt werden, dass du keinen Hunger mehr bekommst; aber, so fügte er mit drohend erhobenem Zeigefinger hinzu, „du darfst, wenn du gefragt wirst, nicht sagen, von wem du den Brennzelten bekommen hast; du musst das strengstens geheim halten. Hast du mich wohl verstanden?“ Der Fuhrmann sagte, er habe ihn gut verstanden und er werde niemand etwas davon sagen. „Ja“, sprach der zwerg, „dann ist es gut und nur zu deinem Wohl, sonst wird es dir schlecht ergehen; denn einen zweiten Brennzelten bekommst du nicht mehr.“

Sogleich hub der Fuhrmann, der Rossknecht bei einem Bauern in Pernzell und auf der Fahrt in die Heindlmühle war, schön gemächlich den Zelten zu essen an und als er ihn aufgegessen hatte, bekam er in der Folge wirklich keinen Hunger mehr. Und so brauchte er gar nicht mehr zu essen. Es verging der erste Tag, der zweite, der dritte Tag und alle folgenden Tage, ohne dass er etwas aß.

Verwundert fragten ihn die Leute, wie denn das zuginge, dass er nicht mehr esse wie jeder andere Mensch, selbst die besten Speisen nicht mehr anrühre, die er sonst immer so gerne gegessen hatte. Die Leute bedrängten ihn unaufhörlich mit Fragen, aber er widerstand lange Zeit und es war aus ihm nichts herauszubringen, sondern er hatte nur Ausflüchte. Aber eines Tages, der ewigen Fragerei müde, gab er sein Geheimnis preis.

Allsogleich fühlte er wieder Hunger und er aß wie früher zu den üblichen Mahlzeiten, nur wurde bei ihm der Hunger immer größer; man konnte ihm nicht genug zu essen geben und so musste er des Hungertodes sterben.

Quelle: Sagen und Legenden von Steyr, Franz Harrer, Verlag Wilhelm Ennsthaler, Steyr, 3. Auflage 1980,
ISBN 3-85068-004-5

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