Die wilde Jagd

Beim Wirt zu Scheideldorf im Waldviertel ging’s hoch her. Der Krieg war zu Ende und Friede war wieder im Reiche. Die tapferen Streiter waren wieder heimgekehrt, nachdem sie dem Welschen das Fell tüchtig gegerbt hatten. Manch einer war wohl im Kampfe gefallen fern im Welschland, weit weg von der lieben Heimat, nach der sein Herz selbst im Getümmel der Schlacht sich sehnte. Aber die anderen, die wiedergekommen waren, genossen nun in vollen Zügen das Leben und freuten sich des Friedens und der Heimat und des prickelnden Weines.

Der Tollsten einer war der Hofbauer Christl von Göpfritz. Der log den anderen Burschen, die um den Tisch saßen und ihm die Stube vollqualmen halfen, alle Taschen voll mit seinen Heldentaten und spielte sich auf den Ritter ohne Furcht und Tadel hinaus; und Schnaken und Schnurren wußte er , daß den anderen die hellen Tränen über die Backen liefen. Als nun der Christl wieder eines seiner Heldenstücklein zu Ende erzählt hatte, das verwegenste und unglaublichste von allen, und die Burschen im Kreise mit verdutzten Gesichtern dasaßen und ungläubig einander zuzwinkerten, während jener eben einen kräftigen Schluck aus seinem Glase tat, warf der Wunderer Sepp so von ungefähr das Wort über den Tisch her und stieß dabei seine Nachbarn, den Prandtner Michel und den Haller Sepp, mit dem Ellbogen und zwinkerte den anderen zu.

„D’ Lostag san jetzt, Christl! Nach Zwölfe fahrt der wild Jager durch d’ Luft und viele andere Jager und Hund und Hexen mit eahm. Tatst di da a net fürchten, wann’s dös hearn tatst? Was?“

„Dös gibt’s nöt,“ sagt der Christl drauf; „koa Furcht kenn i nöt. Und wann mi a Hex zu ihr auf ´nen Besen setzen tat und tat mit mir durch d’ Luft reiten, koa Fürchten gab’s nöt; lei juchazen tat i, wie zelm in dar Schlacht. Dös woar enk a Gschicht; laßt’s mi derzählt.“

„Zwölfi is’s; hoamgehn!“ schreit der Wirt. „Weiterderzähln kannst morgen, Christl; schau fein, daß d’ deine Lugen net vergißt!“
„Koa Lug nöt, Ferdl, alls woahr,“ brummt der Christl, verdrießlich darüber, daß die anderen keine Miene machen zu bleiben, und Schlafhauben schilt er sie und alte Weiber, leert seinen Stutzen, rückt sich die Kappe zurecht, wie er meint, und stopert zur Türe hinaus.

Draußen war es kalt in der eisigen Julmondsnacht; die Kälte klärte den weinumnebelten Kopf und stramm und kühn schritt Christl die Straße nach Göpfritz dahin, als marschierte er im Solde des Kaisers bei einer Musterung an seinem Feldobristen vorbei. Und wohlgemut pfiff er den Jägermarsch vor sich hin, daß ihm der Bart zu Eis gefror, und manch munteres Liedlein trällerte er in die starrende Luft hinein; an den wilden Jäger und sein wütendes Gefolge dachte er gar nicht mehr.
So war er bis zur Wegscheide gekommen, wo von der nach Göpfritz führenden Straße links die nach Weinpolds, rechts die nach Allentsteig abzweigt.

Da, horch, was war das? Ein Sturmwind raste daher, als ob der Jüngste Tag anbrechen wollte, wüste Wetterwolken zogen am Himmel auf und begruben die glitzernden Goldsterne. Und mit eins war die ganze Gegend in Höllennacht getaucht, so finster, daß Christl nicht Straße noch Baum mehr sah; und drüben im Föhrenwalde da war ein Sausen und Brausen, so wild und so toll, ein Ächzen und Stöhnen dazwischen, so angstvoll und schmerzlich: Wodan jagte die Holzweiblein und die weinten bei des Weidwilden Wüten.

Nun war es mit dem Mute Christls vorbei und vergessen war alles Worgeprahle. Angst machte seine Füße zittern und hemmte seine Schritte, am Straßenrande sank er nieder und bangte bebend vor dem, was da käme. Gern hätte er um Hilfe gerufen, aber seine Brust war wie gepreßt, er konnte keinen Leut hervorbringen.

Und wie er so lag, raste es über ihn hinweg mit ohrenzerreißendem, herzmarterndem Geheul, wild und verworren: Katzen kreischten, Hunde heulten, Schlangen zischten, Raben krächzten, Rosse wieherten und schnaubten und schlugen die Stahlhufe gegeneinander; dazwischen tönte wütiges Männergeschrei und Peitschenknall klatschte vieltausendfach: es war ein Lärm, als wollte die Welt in Trümmer stürzen.

Nicht lang währte es und alles war vorüber.

Geruhig lagen die Lüfte wie zuvor und die Feuersternlein flimmten und flammten und flirrte und funkelten wieder vom kalten, klaren Himmel hernieder, als ob nichts gewesen wäre.

Christl aber wußte, daß etwas gewesen war. Angstdurchzittert schaute er auf, als das schreckliche Getöse verklungen war; und wie er alles ruhig und die Glitzersternlein am hellen Himmel gewahrte, da stand er auf, so rasch, als seine schreckdurchschauerten Glieder es ihm erlaubten. Dann eilte der spornstreichs nach Hause und legte sich ganz kleinlaut zu Bette und zog sich die Decke über die Ohren.

Er verfiel in ein hitziges Fieber und raufte lang mit dem Tode. Sein kräftiger Körper und sein starker Wille siegten endlich, er wurde wieder gesund. Aber er war nicht mehr der frühere Freudenfroh und Prahlhans. Er war ernst geworden, bescheiden und wortkarg.

Aurelius Polzer

Quelle: Österreichisches Sagenkränzlein

© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.

 

 
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