Wie Windischgarsten zu seinem Namen kam

Es ist schon länger als tausend Jahre her. Damals kam über den Pyhrn aus dem Gebiet, in dem heute Kärnten und Jugoslawien liegen, ein Volksstamm, der zu den Slawen gehörte. Sie waren auf der Suche nach einer neuen Heimat. So drangen sie in die dünnbesiedelten Alpentäler und ließen sich dort mit ihren Familien nieder.

Es war kein kriegerischer Zug. Die Männer gingen vor oder neben den zweirädrigen Ochsenkarren mit den Scheibenrädern. Auf den mit Hausrat beladenen Wagen saßen die Alten, die Mütter und die kleinsten Kinder. Vor und zwischen den Fuhrwerken trabte das Milchvieh. Weil sie Slawen waren, sprachen sie auch eine fremde Sprache. Sie hatten noch nichts von der Lehre Christi gehört und waren daher Heiden.

Das alte römische Gabromagi war wohl noch zu sehen, aber nicht mehr bewohnbar. Die Mauertrümmer waren von Gestrüpp überwachsen, und nach diesem Gestrüpp nannten sie die Gegend in ihrer Sprache hrvastu. Andere sahen den vielen Wald und sagten dazu Gorschtschina. Sie gaben den Flüssen ihre Namen: Pießling, Strum, Teichl, Retschitz. Sie bauten ihre Hütten nicht nur an die Straße, oft auch in entlegene Täler oder hoch hinauf auf die Berge. Sie nannten ihre Höfe Gir, Glein, Goslitz, Imitz, Sinal. Diese Namen tragen sie noch heute.

Nach einigen Jahrhunderten, als die Slawen schon Christen geworden waren, kamen bairische Siedler in die Täler der Slawen. Diese wurden von den neuen Siedlern Wenden genannt. Die Bayern waren auch friedliche Bauern. Ihr Schwert war der Pflug. Sie rodeten den Wald, legten Wiesen und Felder an und bauten darauf ihre Höfe.

Als die ersten kamen und um den Namen der Gegend fragten, erhielten sie zur Antwort: hrvastu oder Gorschtschina. Und weil die bairischen Zungen das nicht leicht aussprechen konnten, modelten sie die Wörter ein wenig um. So machten sie aus Gorschtschina das einfachere Garsten.

So bewahrten die neuen Siedler viele windische Namen. Für ihre Bauernhöfe fanden sie neue deutsche Namen, wie Seyfried, Boarstückl, Staudriegl, Pechötz, Reitbauer, Grasser, Erler. Und weil die windischen Bauern in der Minderzahl, die deutschen aber viel mehr waren, wurden langsam auch die Windischen deutsch. Heute kennt man ihre Nachkommen nicht mehr auseinander. Nur die windischen Namen klingen noch nach.

Und wenn ihr einmal zu uns kommt und einen Namen hört, den ihr nicht versteht, braucht ihr euch nicht zu wundern.

Quelle: Heimatkundliches Lesebuch, Bezirk Kirchdorf an der Krems
Herausgegeben von einer Arbeitsgemeinschaft des Pädagogischen Institutes des Bundes für Oberösterreich, Verlag Quirin Haslinger, Linz
ISBN keine

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